Eskalieren heisst, einen Konflikt auf eine höhere Stufe zu bringen. Dies ist beispielsweise dann notwendig, wenn das Verhalten von Mitarbeitenden die Erfüllung der Ziele einer Institution beeinträchtigen, sei es direkt oder über eine Beeinträchtigung des Funktionierens des Teams. Für eine Eskalation braucht es Konfrontationen, welche Kraft, Mut und Knowhow erfordern.
«Wie oft kommt es vor, dass du etwas Schwieriges ansprechen möchtest, es dann aber nicht tust?» Diese Frage stelle ich Führungspersonen manchmal in Weiterbildungen. Die meisten Führungskräfte antworten, dass dies oft vorkommt. Frage ich nach den Gründen, erhalte ich meistens folgende Antworten:
⁃ «Zuerst kam ich nicht dazu und danach war es schon zu lange her.»»
⁃ «Ein paar Tage später schien es mir nicht mehr so wichtig.»
⁃ «Ich habe mich gefragt, ob es vielleicht kontraproduktiv ist, wenn ich es anspreche.»
⁃ «Ich hatte zu wenig Zeit, mich darum zu kümmern.»
⁃ «Ich befürchtete, dass ich durch das Ansprechen die Sache unnötig aufblase.»
Nur selten sagt jemand: «Ich war unsicher, wie ich das Thema ansprechen soll und ich hatte Angst vor der Reaktion der anderen Person.» Wenn ich dann die Vermutung äussere, dass dies in den meisten Fällen der eigentliche Grund für das Nicht-Ansprechen gewesen sein könnte, nickt die Mehrheit der Führungspersonen.
Als Führungsperson gibt man ungerne zu, dass man Angst vor der Reaktion von Mitarbeitenden hat. Schliesslich hat man mehr Macht und Entscheidungskompetenzen und bräuchte sich nicht zu fürchten - könnte man denken. Zudem könnte es als Zeichen der Schwäche gesehen werden, wenn man sich selbst oder sogar anderen eingesteht, dass man Angst hat.
Angst eingestehen ist wichtig
Ich halte das Eingeständnis, dass man Angst vor etwas hat, als unabdingbar für Führungspersonen und ich sehe es als grosse Stärke, wenn jemand dies gut kann. Wieso?
Ich begegne immer wieder Situationen, in denen Mitarbeitende schwieriges Sozialverhalten zeigen (impulsiv, abwertend, defizitorientiert) oder sie ihre Leistung nicht erbringen (Termine verpassen, Aufgaben nicht erledigen, nicht antworten, Aufgaben verweigern). Sie werden zwar von Vorgesetzten darauf angesprochen und ihnen wird gesagt, dass man sich ein anderes Verhalten von ihnen wünscht. Aber es werden keine Ziele formuliert und es wird nicht festgehalten, wie man die Zielerreichung überprüfen kann und bis wann dies geschehen soll. Oder es werden zwar Ziele definiert, aber keine Termine für die Überprüfung vereinbart. Oder es werden Termine vereinbart, aber die Führungsperson führt die Überprüfung nicht durch. Was häufig passiert: Eine Weile gelingt es der Mitarbeiterin/dem Mitarbeiter, das gewünschte Verhalten vermehrt zu zeigen, bis schliesslich die ursprünglichen Probleme erneut auftauchen. Und dann beginn dieselbe Runde wieder von Neuem. Es gibt Institutionen, in denen solche Mitarbeitenden von einem Bereich zum nächsten weitergegeben werden und überall wiederholt sich dasselbe Spiel. Das kann über Jahre so gehen.
Natürlich kann es verschiedene Gründe für Fehler von Seiten der Führungsperson in solchen Prozessen geben. Aber die folgenden Ängste stehen häufig zuoberst auf der Liste:
⁃ Angst davor, die eigene Einschätzung oder Kritik nicht gut genügend begründen zu können.
⁃ Angst davor, die andere Person zu verurteilen und abzuwerten und Angst vor ihrer (verständlicherweise) abweisenden Reaktion darauf.
⁃ Angst vor Abwertungen der anderen Person («Das ist ja schon sehr pingelig, dass du mich für so etwas kritisierst. Im Gegensatz zu anderen mache ich ja …»).
⁃ Angst davor, die Einschätzung bei der Überprüfung nicht genügend belegen zu können (vielleicht weil man die Ziele zu wenig genau oder nicht überprüfbar formuliert hat).
⁃ Angst davor, was für Folgen es für eine Mitarbeiterin/einen Mitarbeiter haben könnte, falls es am Ende zu einer Kündigung kommt.
⁃ Angst davor, was eine Mitarbeiterin/ein Mitarbeiter über einen erzählen könnte.
Die richtigen Fragen stellen
Diese Ängste sind wichtig, denn sie weisen uns auf das hin, was uns wichtig ist. Wenn Führungspersonen mit ähnlichen Problemen zu mir ins Coaching kommen, stelle ich ihnen häufig die folgenden Fragen:
⁃ Was ist das übergeordnete Ziel der Arbeit dieser Mitarbeiterin /dieses Mitarbeiters? Dient sie/er genügend und in den wichtigen Punkten diesem Ziel?
⁃ Was ist deine Aufgabe als Führungsperson (nicht nur in Bezug auf diese Mitarbeiterin/diesen Mitarbeiter)? Wofür setzt du dich ein?
⁃ Ist es deine Verantwortung, dafür zu sorgen, dass jemand ein sicheres Einkommen und eine Stelle auf Lebenszeit hat?
⁃ Nimmst du deine Verantwortung wahr, wenn du das so weiterlaufen lässt?
Allein die Auseinandersetzung mit diesen Fragen führt in der Regel zu einer klaren Antwort, was getan werden muss. Das «Wie» zu klären, ist dann die nächste Aufgabe.
Es gibt Wege, Probleme und Irritationen klar und zugleich wertschätzend anzusprechen. Hingegen gibt es keine Möglichkeit, mit Sicherheit zu verhindern, dass eine Mitarbeiterin/ein Mitarbeiter verständnislos, schockiert, abweisend oder wütend reagiert. Dieser Anteil lässt sich viel besser ertragen, wenn man als Mensch auf Augenhöhe mit der anderen Person ist und wenn man sich darüber im Klaren ist, wofür man sich einsetzt.
Ich gehe davon aus, dass jede Mitarbeiterin und jeder Mitarbeiter das tut, was sie oder er kann. Unter anderem gehört es zur Aufgabe von Führungspersonen, Rahmenbedingungen zu schaffen, die es Mitarbeitenden ermöglichen, ihre Leistungen zu erbringen. Wenn eine Führungsperson diese Aufgabe erfüllt und eine Mitarbeiterin/ein Mitarbeiter ihre/seine Leistung trotzdem nicht erbringen kann, ist sie/er in dieser Stelle nicht am richtigen Ort. Das ist manchmal schwer zu ertragen, ändert aber nichts daran.
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Kennst du Situationen, wie oben beschrieben, aus deinem Alltag? Falls du dich solchen Konfliktsituationen stellen möchtest, unterstütze ich dich gerne dabei. Hier kannst du Kontakt mit mir aufnehmen.
Und wenn du mehr über Führungsstil und Führungsidentität erfahren möchtest, kannst du dich hier für das nächste Netzwerktreffen vom Donnerstag, 2. Mai 2024 anmelden.
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