In vielen Institutionen schneidet die Führung in Umfragen beim Thema Wertschätzung nicht gut ab. In meiner Erfahrung reagieren Führungspersonen häufig mit abwertenden Bemerkungen: «Man kann es den Mitarbeitenden einfach nicht recht machen. Die sind verwöhnt und merken es nicht einmal. Ich kann doch nicht jedem sagen, wie toll ich es finde, dass er seine Arbeit macht!»
Problematisch an dieser Reaktion finde ich einerseits, dass die Führungsperson damit andeutet, dass Mitarbeitende anders funktionieren als Führungskräfte. Dabei sind Mitarbeitende nicht grundsätzlich verwöhnter als Führungskräfte und sie brauchen auch nicht grundsätzlich mehr Lob. Zudem schiebt eine Führungsperson damit die Ursache des Problems einfach auf die Mitarbeiterin/den Mitarbeiter. Dabei hat man in der Umfrage ja wissen wollen, wie zufrieden sie ist - oder hat man nur so getan?
Was können Führungskräfte tun?
Eine zielführende Reaktion wäre hier, Interesse für mögliche Ursachen dieser Rückmeldungen zu zeigen. Man könnte Gespräche mit den Mitarbeitenden führen und sie Fragen: Wie zeigt sich für euch Wertschätzung? In solchen Gesprächen stellt man nämlich zwei Dinge fest:
Erstens: Wertschätzung erfüllt sich für Menschen in sehr verschiedener Art und Weise: Einige schätzen vor allem, dass sie kostenlos parkieren können, andere schätzen die hohen Beiträge an die Pensionskasse und wieder andere schätzen vor allem, wenn die Führungsperson regelmässig vorbei schaut und fragt, wie es ihr geht. Die Erkenntnis, dass die Erfüllung von Wertschätzung über sehr unterschiedliche Strategien erfolgt, ist nicht nur für die Führungspersonen wichtig, sondern auch für die Mitarbeitenden selber. Die Mitarbeitenden sehen: Das Thema Wertschätzung kann durch die Führung nicht einfach mit einer oder zwei Massnahmen gelöst werden.
Zweitens zeigen solche Gespräche, dass die meisten Mitarbeitenden mit dem Thema Wertschätzung vor allem Anteilnahme verbinden. Dabei reicht es oft, wenn Führungskräfte sich erkundigen, wie es den Mitarbeitenden geht, was für sie schwierig/leicht ist und ob sie irgendwo Unterstützung brauchen. Und wenn Mitarbeitende von Problemen erzählen und die Führungsperson fragt, ob sie selber Ideen zur Lösung habe, wird die Mitarbeiterin/der Mitarbeiter häufig schon eigene Lösungsideen mitteilen und zugleich froh um die Bestätigung durch die Führungsperson sein. Für die meisten Herausforderungen benötigen die Mitarbeitenden nicht Unterstützung bei der Lösung des Problems selber sondern vielmehr emotionale Unterstützung. Die implizite Aussage der Führungsperson ist: «Mir ist wichtig, wie es dir geht. Mir ist wichtig, dass die Arbeitsbedingungen zielorientiertes Arbeiten ermöglichen. Wenn du meine Unterstützung brauchst, helfe ich dir gerne.»
Zu guter Letzt: Wenn man Mitarbeitenden zugehört hat und man ihnen zeigt, wie man selber zu Wertschätzung beiträgt, kann man ihnen auch sagen, dass sie sich selber auch für die Erfüllung von Wertschätzung einsetzen können. Wenn jemand zum Beispiel möchte, dass die Führungsperson sieht (und damit anerkennt) wie viel Zeit und Energie jemand in eine Arbeit gesteckt hat, kann diese Person genau dies sagen. «Ich habe nun XY gemacht und so und so viele Stunden investiert. Gefällt dir das Resultat? Bist du froh um meinen Beitrag?»
Fazit
Wenn dir jemand sagt, dass er / sie gerne mehr Wertschätzung hätte:
1. Frage zuerst, was er / sie damit genau meint.
2. Zeige dann, wie du die Antwort verstanden hast und was du damit vorhast.
3. Überprüfe danach, ob und wie du Wertschätzung zeigst.
4. Falls du denkst, dass du Wertschätzung zeigst und dies von der Mitarbeiterin/dem Mitarbeiter nicht gesehen wird: Erläutere es ihr/ihm.
Falls die Mitarbeiterin/der Mitarbeiter gerne vor allem gesehen und gehört werden möchte, sorge dafür, dass du Anteil nimmst (ohne in die Falle zu tappen, dass die Mitarbeiterin/der Mitarbeiter bei jedem Problem eine Lösung von dir erwartet).
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