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Burnout-Prävention als Führungsaufgabe

Meine erste Erfahrung mit Burnout hatte ich in meinem dritten Jahr als Führungsperson. Es galt eine Stelle einer Klassenlehrperson zu besetzen und beworben hatte sich eine Frau, die sechs Jahre vor ihrer Pensionierung stand. 


Wie es begann

Das Bewerbungsdossier war sehr umfangreich und bereits im Vorstellungsgespräch erwähnte sie, dass sie ein Burnout hinter sich hatte. Ich schätzte diese Offenheit und zugleich war ich auch skeptisch. 

  • Der Umfang des Bewerbungsdossiers war so gross, weil sie alles an Zeugnissen und Bestätigungen hineingepackt hatte, was sie irgendwann einmal erhalten hatte.

  • Die Hauptverantwortung für ihr Burnout gab sie bereits damals dem Schulleiter der vorhergehenden Schule. Dieser habe sie zu wenig unterstützt und die Rahmenbedingungen seien so gewesen, dass man es als Lehrperson praktisch nicht anders hätte machen können, als sie es gemacht hat.

  • Sie hat im Bewerbungsgespräch und auch danach immer wieder vorwurfsvoll über die alte Schule gesprochen und indirekt (mit «Witzen») gefragt, ob ich sie genügend unterstützen würde.

  • Sie hat bereits im Vorstellungsgespräch erwähnt, dass sie privat eine riesige Sammlung an Unterrichts- und Spielmaterial habe und ob sie diese in die Schule nehmen könne.


Mit meinem Vorgesetzten zusammen entschied ich damals, die Frau anzustellen, mit einem Pensum von 100%. Es sollte sich als grosser Fehler erweisen.


Foto von Claudia Wolff auf Unsplash


Was passierte

Im Vorlauf ihres Arbeitsbeginns und in den ersten Arbeitswochen kamen bald weitere Verhaltensweisen hinzu, die mich alarmierten:

  • Bereits vor dem ersten Schultag hatte sie weit über 100 Arbeitsstunden geleistet. (Wir hatten damals zum Glück für Klassenlehrpersonen die Vorgabe, dass sie ihre Arbeitszeit erfassen mussten.) Es ist zwar üblich, dass Lehrpersonen bereits vor Stellenantritt Arbeit leisten, aber der Umfang war viel zu hoch.

  • Obwohl ich die vielen Arbeitsstunden angesprochen hatte und sie mir halbwegs versicherte, es werde jetzt bessern, besserte es nicht.


Und so kam es, wie ich es heute vorhersehen würde: In den Herbstferien hatte die Frau einen Unfall mit einer leichten Verletzung und fiel deswegen bereits einige Wochen aus (das kann man natürlich nicht vorhersehen). Danach kam sie zurück, war aber immer wieder mal krank. Ich versuchte in Gesprächen mit ihr, Strategien zur Entlastung zu finden. Doch es half alles nichts. Nach lediglich elf effektiven Schulwochen liess sie sich krankschreiben. Einmal ging ich sogar noch mit ihr zu ihrem Therapeuten, was leider auch nicht half. Aufgrund des unbefristeten Vertrags und der Krankschreibung konnte ihr erst 14 Monate nach Anstellungsbeginn gekündigt werden. Noch über Jahre rief sie immer wieder auch auf private Nummern ihrer Arbeitskolleginnen und mir an, um sich über unser Vorgehen zu beklagen.


Die Folgen für die Schule

Welche Folgen hatte der Anstellungsentscheid für den Betrieb? Einerseits mussten Kolleg:innen ihre Arbeit übernehmen, bis wir schliesslich eine Stellvertretung organisiert hatten. Für eine Sonderschule im Aufbau und mit entsprechend vielen Aufbauarbeiten war diese zusätzliche Belastung sehr hoch. Die Schüler:innen erhielten in den Hauptfächern über mehrere Wochen keinen Unterricht von einer qualifizierten Lehrperson. Das Budget wurde massiv belastet und das Geld musste an anderen Orten eingespart werden.


Learnings und Strategien

Was habe ich aus dieser Erfahrung gelernt und wie würde ich heute handeln?

Ich habe gelernt, meine Gefühle und die auslösenden Beobachtungen in Bewerbungsverfahren ernst zu nehmen. Ohne alles überinterpretieren zu wollen ist es doch so, dass Aussagen, Produkte und Handlungen immer auch Aussagen über einen selbst sind. Dies gilt sowohl für Arbeitnehmende als auch der Arbeitgebende. Die Hinweise in diesem Fall waren:

  • Ein Bewerbungsdossier, in dem sämtliche Unterlagen der letzten 30 Jahre aufgeführt werden, kann darauf hindeuten, dass jemand einerseits nicht priorisieren kann und andererseits sich nicht überlegt, was für die andere Person wichtig sein könnte.

  • Natürlich tragen die Rahmenbedingungen dazu bei, dass die Gefahr für ein Burnout grösser oder kleiner ist. Ein wichtiger Teil ist aber immer auch der eigene Umgang mit den Anforderungen (eigenen und fremden) und Rahmenbedingungen. Wenn jemand trotz Burnout, Coaching und Therapien nicht gelernt hat, sich Sorge zu tragen, sich abzugrenzen und die Verantwortung für das Management der eigenen Arbeitsbelastung zu übernehmen, stehen die Chancen hoch, dass es erneut zu einem Burnout kommt.

  • Das Einbringen von persönlichem Material kann darauf hindeuten, dass jemand persönlich mit der Arbeit verschmilzt und sich zu wenig abgrenzen kann.

  • Massive Pluszeiten in der Arbeitserfassung ohne vorherige Absprache und plausible Begründung sind immer ein Alarmzeichen.


Heute würde ich eine Person mit demselben Profil und denselben Aussagen und Handlungen nicht mehr anstellen. Der Aufwand, den so eine Person mit sich bringt, ist um ein Vielfaches höher als andere Lösungen, selbst wenn man mit Stellvertretungen beginnen muss. Im Zweifelsfall unter unter grossem Druck, die Stelle zu besetzen, würde ich meine Bedenken offen aussprechen und einen befristeten Arbeitsvertrag machen.


In meinem nächsten Artikel berichte ich von einer weiteren Person, die im Bewerbungsverfahren mitteilte, dass sie ein Burnout hatte. Und diesmal erwies sich die Entscheidung, die Person trotz vorherigem Burnout anzustellen, als völlig richtig.


Welche Erfahrungen hast du gemacht?

Und wie steht es um deine Gefährdung für ein Burnout? Wenn du das herausfinden willst, kannst du hier eine kurze Selbsteinschätzung vornehmen.

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