Wenn Frau Müller eine kritische Rückmeldung von einer Mitarbeiterin erhält, ist sie meistens alarmiert. Sie überlegt sofort, was sie falsch gemacht haben könnte und sie fühlt Scham und Schuld aufsteigen. Wenn sie mit jemandem darüber spricht, ist ihr durchaus bewusst, dass sie nicht für alles verantwortlich ist und nicht alles, was nicht funktioniert, mit Fehlern von ihr zu tun hat. Trotzdem kommen diese unangenehmen Gefühle jeweils hoch und schlimmer noch: Im Verlauf der nächsten Stunden und Tage denkt sie immer wieder darüber nach, wo sie allenfalls einen Fehler gemacht haben könnte.
Mit dieser Reaktion unterscheidet sich Frau Müller wesentlich von Personen, die in ähnlichen Situationen tendenziell die Fehler bei anderen suchen, wie zum Beispiel Herr Meier (lies dazu diesen Artikel). Er reagiert mit Rechtfertigungen, Verteidigung und Angriffen. Dass weder Herr Meiers noch Frau Müllers Reaktion hilfreich ist, liegt auf der Hand: Während Herr Meier mit der Verteidigung beschäftigt ist und verpasst, Verantwortung für sein Handeln zu übernehmen und aus Rückmeldungen zu lernen, ist Frau Müller vor allem mit ihren Scham- und Schuldgefühlen sowie der Suche nach eigenen Fehlern beschäftigt.
Fünf Zielführende Schritte
Schritt 1: Verstehen worum es geht und was die andere Person konkret von einem möchte.
Durch aktives Zuhören können Herr Meier und Frau Müller schnell herausfinden, was die andere Person genau möchte. Ein erster Schritt ist, das Gesagte zusammenzufassen und zu bestätigen: “Verstehe ich richtig, dass du dir wünschst, dass ich…?” Falls man noch nicht herausgehört hat, was die andere Person nun konkret von einem möchte, können sie fragen: «Und was hättest du jetzt gerne von mir?»
Schritt 2: Klären, wer wofür zuständig ist (Rolle, Aufgaben, Kompetenzen, Verantwortung).
Im zweiten Schritt können Herr Meier und Frau Müller klären, wer für das Problem oder dessen Lösung verantwortlich ist: Geht es um die Art und Weise, wie ich mit anderen umgehe? Oder geht es um eine Aufgabe, die ich nicht gemacht habe oder die idealerweise anders gemacht werden müsste? Welche Verantwortung für die Lösung hat die kritisierende Person? Müssen noch andere Personen involviert werden?
Schritt 3: Herausfinden, welche Lösungsideen die andere Person bereits hat.
Dieser Schritt ist insbesondere für Führungspersonen, aber zum Beispiel auch für Lehrpersonen besonders wichtig: Herr Meier und Frau Müller können die kritisierende Person fragen, welche Ideen sie für die Lösung hat. Manchmal kommen Ideen, denen man nur noch zuzustimmen braucht. Manchmal kommen Ideen, die nicht umsetzbar oder nicht rollenkonform sind.
Schritt 4: Nächst Schritte planen.
Wenn die kritisierende Person nur gehört werden wollte und keine weiteren konkreten Anliegen hat, ist die Sache nach dem Feedbackgespräch bereits abgeschlossen. Manchmal möchte man hingegen zuerst noch über etwas nachdenken. Manchmal macht es Sinn, das Problem an einer Sitzung zu besprechen, weil es noch viele andere Personen betrifft. Manchmal kann man auch einfach Massnahmen beschliessen und abmachen, wer was bis wann tut und wie und wann man es allenfalls überprüft.
Schritt 5: Rückversichern und abschliessen.
Am Ende des Gesprächs ist es hilfreich, sicherzustellen, dass die andere Person sich gehört und verstanden fühlt: «Hast du den Eindruck, dass ich gehört habe, worum es dir geht? Gibt es noch etwas, das du hinzufügen möchtest?» Diese Fragen fördern das Verständnis und den Lernprozess, unabhängig von der Lösung des Problems.
Und wenn es in der Praxis nicht funktioniert?
In der Theorie sind diese Schritte leicht zu verstehen, aber ihre Umsetzung kann herausfordernd sein, wie im Fall von Frau Müller beschrieben. Warum fällt es uns manchmal so schwer, rational zu reagieren? Oft sind es automatisierte Reaktionsmuster – Gefühle, Gedanken und Impulse – die uns beeinflussen. Ein Coaching kann helfen, diese Muster zu erkennen und Veränderungsstrategien zu entwickeln.
Was hilft dir, mit kritischen Feedbacks konstruktiv umzugehen? Schreib's mir in die Kommentare!
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